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Die lange Geschichte des § 218. Wo stehen wir heute und wo wollen wir hin? Podiumsgespräch im Rahmen des FemPalais – Festival der Frauen*

 

Am 19.4.2023 fand im Rahmen des FemPalais-Festival der Frauen* eine Podiumsdiskussion zum Abtreibungsparagraphen 218 statt. Nach einem Impulsvortrag von PD Dr. iur. Sabine Berghahn (Freie Universität Berlin) gab es Fragen und einen Austausch zwischen der Moderatorin Bea Dörr (LpB) und den beiden anderen Podiumsteilnehmerinnen Dr. Marion Janke von pro familia Stuttgart und FF*GZ Mitfrau Doris Braune, die den Abend für uns zusammengefasst hat.  

 

Aus der Programmbeschreibung: „Seit über 150 Jahren regelt in Deutschland der § 218 im Strafgesetz den Schwangerschaftsabbruch und damit das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Immer wieder wird er gesellschaftlich heftig diskutiert. Im Laufe seiner Geschichte wurde er verschärft, reformiert und erneut verändert. Die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (§219a) im Sommer 2022 und politische Diskussionen und Aktionen um Schwangerschaftsabbrüche in den USA, Polen, Ungarn und anderen Ländern kurbeln die Debatte erneut an.“

 

Als eigentlich sehr informierte Person was den § 218 anbelangt, war ich über einige Informationen von Sabine Berghahn überrascht. So stammt der erst im letzten Jahr abgeschaffte §219a, der Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellte, aus der Zeit des Nazifaschismus. Bis letztes Jahr war es also unter Strafe gestellt, wenn Ärzt*innen auf ihren Homepages aufklärten, dass und mit welcher Methode sie Abbrüche vornehmen. Uns ist vermutlich allen noch in Erinnerung, wie die Ärztin Kristina Hänel und andere wegen diesem aus der Nazizeit stammende Paragraph vor Gericht gezerrt und verurteilt wurden.

 

Verwundert und ja entsetzt war ich, als die sehr versierte Juristin Sabine Berghahn darlegte, auf welchem frauenverachtenden Konstrukt der §218 beruht – bis heute. Einem Fötus (ab dem Ende der 8. Schwangerschaftswoche) und selbst dem Embryo (ab dem 10-12. Tag nach der Befruchtung) wird ein Menschenrecht zugeschrieben, das als gleich oder gewichtiger gewertet wird, als das Recht der Frau über ihren eigenen Körper. Ein außerhalb des Uterus gar nicht überlebensfähiger Embryo oder Fötus hat in diesem juristischen Konstrukt mehr Rechte als die Frau über ihren Körper. Begründet wird es dann so, der Embryo /Fötus wird durch einen Abbruch getötet und die austragende Frau habe nur die Beschwerlichkeit einer Schwangerschaft dagegen auszuhalten bzw. die Beschwerlichkeit eines Abbruchs.

 

Das ließe sich auch so übersetzen: Frauen, Menschen mit Uterus, sind rechtlich gesehen ein Brutkasten und haben weniger Rechte als das ungeborene Wesen, dass doch in den ersten Monaten der Schwangerschaft ohne die ihn versorgende und beschützende Gebärmutter gar nicht lebensfähig ist. All diese juristischen Konstruktionen hindern nicht daran, Eizellen, befruchtete Embryos und die Gebärmütter zu einer wohlfeilen Handelsware zu machen – ganz straflos. Zwar ist die Leihmutterschaft und der Eizellverkauf in Deutschland verboten, aber von Seiten des Staates erhebt niemand Einwände, wenn die Auftragseltern im Herkunftsland der Leihmutter als leibliche Eltern eingetragen werden. Bis Russland den Krieg gegen die Ukraine begann, war der Uterus ukrainischer Frauen für viele europäische Auftragseltern der Brutkasten ihrer Kinder.

 

Völlig ausgeblendet wird bei diesem Konstrukt des Lebensrechts des Embryos/ Fötus, dass er in der vorgeburtlichen Zeit symbiotisch verbunden ist mit der Schwangeren, ihren Empfindungen und Ängsten. Aus der Forschung ist schon lange bekannt, dass Traumata epigenetisch an das Ungeborene weitergegeben werden. Und es ist eine massive Menschenrechtsverletzung, gezwungen zu werden, ein Kind auszutragen. Ich denke, es gibt das Menschenrecht einer Frau, zu entscheiden, ob sie ein Kind austragen will/kann oder nicht und ebenso gibt es das Menschenrecht eines jeden Kindes, als gewolltes und geliebtes Kind auf die Welt zu kommen.

 

So bleibt der §218, selbst wenn durch die Streichung des §219 a ein wenig modifizieret wurde, ein patriarchales Herrschaftsinstrument.

 

Doris Braune

 

Ein Mitschnitt der Veranstaltung ist hier zu sehen. Weitere spannende Veranstaltungen im Rahmen des „FemPalais – Festival der Frauen*“ gibt es hier.

 

Foto: Ausschnitt aus dem Filmmitschnitt / StadtPalais – Museum für Stuttgart